Cannabis-Experten plädieren auf Freigabe


Die Hanfpflanze kann bekanntermaßen je nach THC-Gehalt eine berauschende Wirkung haben. Mittlerweile werden die Wirkstoffe THC und CBD in der Medizin genutzt und finden auch sonst vielerlei Anwendungsmöglichkeit. Allerdings werden Drogenhandel und -konsum zu einem immer größeren Problem, da die Zahl der Straftaten und der Drogentoten immer weiter steigt. Einige Experten sehen in der Legalisierung von Cannabis die Lösung und plädieren daher auf eine Freigabe. Und wie genau das aussehen soll, erfahrt ihr in folgendem Artikel. 


Cannabis-Experten

Entkriminalisierung von Drogendelikten als Schritt in die richtige Richtung


Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) und die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) stellten in Frankfurt Anfang September 2020 Statistiken vor, die den Anstieg der Zahl der Rauschgiftdelikte in Deutschland bestätigten. Obwohl sich Münch eher skeptisch gegenüber einer vollständigen Legalisierung von Cannabis äußerte, sah er die Lösung in einer Entkriminalisierung von Drogendelikten nach portugiesischem Modell. Danach wären Besitz und Konsum nur eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat.

 

Doch Münsch vertritt nicht als Einziger diese Meinung, denn der Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK) zweifelt ebenfalls die Prohibitionspolitik an. Unterstützung für eine Legalisierung und eine Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten gibt es auch vom Deutschen Richterbund, der sich in der Vergangenheit für eine Straffreiheit von Konsumenten einsetzte.


Anstieg der Zahl der Drogentoten bewegt Befürworter


Nachdem wenige Tage später der Rekordanstieg der Drogentoten im ersten Halbjahr 2020 bekannt wurde, plädierte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für eine Cannabis-Freigabe. Laut „Welt am Sonntag“ sind im ersten Halbjahr 2020 mindestens 662 Menschen in Deutschland an ihrem Drogenkonsum gestorben, was rund 13% mehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind.

 

Lauterbach kritisiert dabei die verfehlte Drogenpolitik sowie die menschenverachtende Strafverfolgung von Konsumenten. Er wolle diese nicht länger hinnehmen, auch wenn er die Mitverantwortung seiner Partei nicht leugnete. Nun fordert er eine schrittweise Freigabe von Kokain und Cannabis.

 

Allerdings bleiben dabei immer noch die Hersteller und Händler ein Problem, die im Gegensatz zu Konsumenten nicht entkriminalisiert werden sollten, erklärt Lauterbach. So stellt sich die Frage, wie die Konsumenten überhaupt legal an Cannabis kommen sollen.


Verbot richtet mehr Schaden an als Regulierung


Fabian Steinmetz ist Toxikologe und Mitglied des Schildower Kreises, bei dem Experten verschiedener Fachrichtungen für eine liberale Drogenpolitik plädieren. Er erklärt, dass der Rausch erst ab einem gewissen THC-Gehalt in der Cannabispflanze eintritt. Aus diesem Grund können Cannabisprodukte in Automaten und Läden legal verkauft werden. Sie enthalten nämlich weniger als 0,2 Prozent THC und wirken daher wenig bis gar nicht berauschend.

 

Marihuana wird auch in der Medizin z. B. bei Multipler Sklerose, chronischen Schmerzen aber auch bei Krebspatienten eingesetzt. Sowohl THC als auch CBD können so miteinander kombiniert werden, dass keine oder möglichst geringe negative Wirkungen auf die menschliche Psyche auftreten. Entscheidend wäre also die Kombination der Wirkstoffe, so Steinmetz.

 

Der Anteil von THC wird allerdings wegen des Profits beim "Straßen Cannabis" während der Züchtung erhöht. Wenn aber Cannabis legal wäre, wäre eine Regulierung des Wirkstoffgehalts möglich. Der Toxikologe setzt sich für eine Regulierung statt das strikte Verbot ein und plädiert für die Legalisierung von Cannabis.


Der Vergleich zu Alkohol


Auch wenn Alkohol öffentlich beworben wird und legal ist, gibt es von der Wirkung her keinen wesentlichen Unterschied zu Cannabis. Doch Cannabis ist verboten und Alkohol nicht. Cannabiskonsumenten werden stigmatisiert, weshalb die Gefahr vor Verfolgungswahn und Psychosen steigt, so Steinmetz.

 

Ein weiterer Befürworter der Legalisierung im Schildower Kreis ist Bernd Werse, welcher mögliche negative Einflüsse von Alkohol im Vergleich zu Cannabis sogar als schwerer einstuft. Während bei etwa 10 % der Cannabiskonsumenten eher psychische Probleme auftreten können, passieren unter dem Einfluss von Alkohol im Verhältnis deutlich häufiger Gewalttaten. Dies würde bei Cannabis nicht vorkommen. Darüber hinaus wird Cannabis gerne als erste Einstiegsdroge stigmatisiert. Aber auch hier spielt das Verbot eine ausschlaggebende Rolle, da der Dealer neben Cannabis häufig auch andere illegale Substanzen anbietet, mit welchen der Konsument zwangsläufig ebenfalls in Kontakt kommt.


Der Staat soll Produktion, Handel und Verkauf kontrollieren


Als Argumente für eine Legalisierung von Cannabis geben die beiden Experten aus dem Schildower Kreis andere Länder an, bei denen die Freigabe zu keinem Anstieg des Konsums geführt hat. Ganz im Gegenteil: die Zahlen wären sogar gesunken.

 

In einigen US-Bundesstaaten sowie Kanada und Uruguay wurde Cannabis entweder freigegeben oder der Konsum zumindest entkriminalisiert, was positive Effekte hatte. In Colorado habe sogar die Legalisierung dazu geführt, dass die Staatskasse bei Polizei-Einsätzen und den Gerichten geschont werden konnte und die Steuereinnahmen erhöht wurden, so Werse.

 

Werse und Steinmetz setzen sich dafür ein, dass der Staat nach einer Legalisierung die Kontrolle über Produktion, Handel und Verkauf übernimmt. Es müsse ein Werbeverbot sowohl für Cannabis als auch für Alkohol und Tabak gelten, so Steinmetz. Der Staat müsse die verkaufte Menge begrenzen und festlegen, dass Konsumenten mindestens 18 Jahre alt sein müssen.


Weitere Argumente für eine Cannabis-Legalisierung


Die Cannabis-Legalisierung bleibt auch weiterhin unter den Sachverständigen umstritten. Jedoch haben Experten im Laufe der Jahre weitere überzeugende Argumente zugunsten der Cannabis-Legalisierung und der Entkriminalisierung des Freizeitkonsums auf den Tisch gelegt.

 

Zum einen wurde argumentiert, dass die Abschreckung und Prävention offensichtlich nicht funktioniere und man vielmehr dadurch erst den Schwarzmarkt erzeuge. Heute sei es sogar noch leichter für Jugendliche, in den Besitz von größeren Mengen Cannabis zu kommen und das auch noch billiger als früher, so Dr. Lorenz Böllinger, Sprecher des Schildower Kreises.

 

Eine ähnliche Meinung wird auch von Hubert Wimber vertreten, der die Verbotspolitik für den Anstieg der Nachfrage und des Angebots für verantwortlich hält. Weder Schadensminderung noch Gesundheitsprävention wären durch die Verbotspolitik gewährleistet. Stattdessen würde die Strafverfolgung nur Kosten verursachen, indem Personal bei der Polizei und beim Gericht gebunden wird